sally
08-02-09, 18:24
Mit Hüftschwung und Schmachtpop revolutionierte Tarkan Tevetoglu in der Türkei die Musikszene und das Männerbild. Heute ist er auch außerhalb der Türkei ein Star. In Interview spricht er über Islamphobie, seine alte Heimat und Vorurteile.
Herr Tevetoglu, Sie haben ein englischsprachiges Album aufgenommen, um damit internationalen Erfolg zu haben. Glauben Sie, daß die Welt - angesichts der aktuellen Islamphobie - bereit ist für einen Popstar aus einem muslimischen Land?
Tarkan: Ich fürchte, wir brauchen noch etwas Zeit"
Islamphobie, das trifft es. Aber ich glaube nicht, daß das meine Karriere tangieren wird. Im Gegenteil: Die Leute werden durch mich ein anderes Bild vom Nahen Osten bekommen. Mag sein, daß es da am Anfang ein paar Probleme geben wird. Aber ich selbst fühle mich als Weltbürger.
Sie leben nun schon seit mehr als zehn Jahren in New York. Die Türkei haben Sie einst verlassen, um den Nachstellungen der Paparazzi zu entgehen. Ist das immer noch ein Problem?
Nein, das hat sich geändert. Aber damals war es einfach irgendwann zuviel, es hat mich überwältigt: Ich konnte nicht mehr rausgehen und nicht mehr die einfachsten Dinge tun. Und als die Presse negativ wurde, dachte ich mir, jetzt sollte ich besser weggehen. Es begann, meine Kreativität zu blockieren. Ich konnte keine Songs mehr schreiben und habe nur noch die Artikel über mich gelesen. Da wußte ich, ich muß weggehen.
Die türkische Musikszene steht derzeit im Rampenlicht - nicht zuletzt durch Fatih Akins Istanbul-Hommage "Crossing the Bridge". Haben Sie seine Musikdokumentation gesehen?
Ja, aber es hat mir nicht gefallen. Ich finde, Fatih Akin hat einen schlechten Job gemacht, er hätte besser recherchieren sollen. Wenn man schon einen Film über die türkische Musikszene macht, dann sollten schon die wichtigsten Namen vorkommen - und nicht bloß irgendwelche drogenabhängigen Freaks, die am Taksim-Platz abhängen. Er wollte doch wohl eher seine persönliche Sicht auf Istanbul zeigen und kein repräsentatives Bild. Dann hätte er den Film anders nennen sollen: Nicht "Crossing the Bridge", sondern "Unter der Brücke" oder so (lacht). Oh Gott, Fatih Akin wird mich hassen...
TARKAN TEVETOGLU
Mit Hüftschwung und orientalisch- mediterranem Schmachtpop revolutionierte Tarkan Tevetoglu einst in der Türkei nicht nur die Musikszene, sondern auch das Männerbild. Sein metrosexueller Look war das Gegenteil des Idealbildes vom schnurrbärtigen Macho. Damit stieg er am Bosporus zum Mädchenschwarm Nummer eins auf, und sein türkischer Kuß- Song "Simarik" (dessen Refrain aus einem doppelten Schmatzer bestand) machte ihn vor fünf Jahren auch außerhalb der Türkei bekannt. Auf seinem aktuellen Album "Come Closer", dem ersten in englischer Sprache, hat er seinen leicht hysterischen Gesang nun etwas gezügelt, die orientalische Färbung schimmert nur noch dezent durch manche Rhythmen und Baßlinien. Insgesamt sucht die Produktion die Nähe zum aktuellem R- ’n’- B-Formatpop eines Justin Timberlake oder einer Britney Spears.
Glauben Sie, die Türkei hat die Chance, in der näheren Zukunft in die EU zu kommen? Die Gespräche sollen jetzt zwar beginnen, aber sie können sich noch sehr lange hinziehen.
Wollen Sie meine persönliche Meinung wissen? Ich fürchte, wir brauchen noch etwas Zeit. Wir brauchen einen Mentalitätswandel. So etwas passiert nicht in drei oder vier Jahren, das braucht länger. Aber es ändert sich gerade etwas.
Wirtschaftlich boomt die Türkei. Aber auch der Nationalismus treibt neue Blüten - wie man am Film "Tal der Wölfe" sehen konnte, der hierzulande große Diskussionen ausgelöst hat.
Ich habe den Film nicht gesehen. Aber ich finde, Fernsehen und Kino sollten vorsichtiger mit solchen Themen sein und nicht nur daran denken, wie sich damit Geld machen läßt. Ich möchte Frieden in der Welt. Und so ein Film bewirkt das Gegenteil. Wir hätten diesen Film gar nicht machen dürfen. Warum macht man denn so einen Film? Solche Filme tragen nur dazu bei, die Spannungen zu erhöhen.
Fühlen Sie sich nach mehr als zehn Jahren in den Vereinigten Staaten inzwischen als Amerikaner?
nein. Es ist zwar manchmal etwas verwirrend, denn ich wurde in Deutschland geboren, bin dann in die Türkei gegangen und später nach Amerika gezogen. Aber ich fühle mich in vielerlei Hinsicht sehr türkisch.
Inwiefern?
Die meisten meiner Freunde sind Türken, und ich mag die Wärme und Freundlichkeit meiner Landsleute, ihre Großzügigkeit. Und dann das Essen: Ich mag auch Hamburger, Pizza oder italienisches Essen. Aber nach türkischem Essen bekomme ich Heimweh. Dabei esse ich eigentlich gar nicht soviel Fleisch.
Werden Sie in der Türkei oft nach Ihrer Meinung zur amerikanischen Politik gefragt?
Nein. Aber die Leute wollen wissen, wie ich zu Amerika und dem Lebensstil dort stehe.
Und?
Ich mag die Freiheit. Man kann sagen, was man will, tragen, was man will, und sein, wer oder was man sein will.
Und in der Türkei?
Da muß man etwas vorsichtiger sein. Und das finde ich traurig, denn ich will sagen können, was ich fühle. Natürlich sollte es auch Grenzen geben. Aber Tabus machen uns angespannt.
Sind die Tabus in der Türkei weniger geworden?
Einige Tabus verschwinden, andere kommen hinzu. Ich wünschte, es gäbe keine.
Wie mit Ihrem Ohrring?
Ja, am Anfang gab es große Diskussionen darum, und heute tragen alle so einen Ohrring. Alles ist freier geworden, und die Frauen laufen ziemlich sexy herum. Das ist schon seltsam: Obwohl die Regierung jetzt religiöser ist, sind die Leute entspannter.
Wie ist es für Sie, wenn Sie zurück nach Deutschland kommen? Immerhin sind Sie hier einst aufgewachsen.
Mir geht das schon manchmal durch den Kopf, wenn ich bei Viva und Stefan Raab bin, wie merkwürdig und schön das ist. Außerdem trage ich mich mit dem Gedanken, mir ein Appartement in Berlin zuzulegen.
Warum Berlin?
Oh, ich liebe Berlin und habe gute Freunde hier. Und ich liebe die Geschichte dieser Stadt, die Mauer, die amerikanischen Einflüsse - man kann sehen, daß es hier viele Kulturen gibt. Und Berlin ist eine tolle Stadt. Egal, wohin ich auch komme, jeder spricht über Berlin.
kaynak : Spiegel Online
2006 daki Tarkan Röportaj
Herr Tevetoglu, Sie haben ein englischsprachiges Album aufgenommen, um damit internationalen Erfolg zu haben. Glauben Sie, daß die Welt - angesichts der aktuellen Islamphobie - bereit ist für einen Popstar aus einem muslimischen Land?
Tarkan: Ich fürchte, wir brauchen noch etwas Zeit"
Islamphobie, das trifft es. Aber ich glaube nicht, daß das meine Karriere tangieren wird. Im Gegenteil: Die Leute werden durch mich ein anderes Bild vom Nahen Osten bekommen. Mag sein, daß es da am Anfang ein paar Probleme geben wird. Aber ich selbst fühle mich als Weltbürger.
Sie leben nun schon seit mehr als zehn Jahren in New York. Die Türkei haben Sie einst verlassen, um den Nachstellungen der Paparazzi zu entgehen. Ist das immer noch ein Problem?
Nein, das hat sich geändert. Aber damals war es einfach irgendwann zuviel, es hat mich überwältigt: Ich konnte nicht mehr rausgehen und nicht mehr die einfachsten Dinge tun. Und als die Presse negativ wurde, dachte ich mir, jetzt sollte ich besser weggehen. Es begann, meine Kreativität zu blockieren. Ich konnte keine Songs mehr schreiben und habe nur noch die Artikel über mich gelesen. Da wußte ich, ich muß weggehen.
Die türkische Musikszene steht derzeit im Rampenlicht - nicht zuletzt durch Fatih Akins Istanbul-Hommage "Crossing the Bridge". Haben Sie seine Musikdokumentation gesehen?
Ja, aber es hat mir nicht gefallen. Ich finde, Fatih Akin hat einen schlechten Job gemacht, er hätte besser recherchieren sollen. Wenn man schon einen Film über die türkische Musikszene macht, dann sollten schon die wichtigsten Namen vorkommen - und nicht bloß irgendwelche drogenabhängigen Freaks, die am Taksim-Platz abhängen. Er wollte doch wohl eher seine persönliche Sicht auf Istanbul zeigen und kein repräsentatives Bild. Dann hätte er den Film anders nennen sollen: Nicht "Crossing the Bridge", sondern "Unter der Brücke" oder so (lacht). Oh Gott, Fatih Akin wird mich hassen...
TARKAN TEVETOGLU
Mit Hüftschwung und orientalisch- mediterranem Schmachtpop revolutionierte Tarkan Tevetoglu einst in der Türkei nicht nur die Musikszene, sondern auch das Männerbild. Sein metrosexueller Look war das Gegenteil des Idealbildes vom schnurrbärtigen Macho. Damit stieg er am Bosporus zum Mädchenschwarm Nummer eins auf, und sein türkischer Kuß- Song "Simarik" (dessen Refrain aus einem doppelten Schmatzer bestand) machte ihn vor fünf Jahren auch außerhalb der Türkei bekannt. Auf seinem aktuellen Album "Come Closer", dem ersten in englischer Sprache, hat er seinen leicht hysterischen Gesang nun etwas gezügelt, die orientalische Färbung schimmert nur noch dezent durch manche Rhythmen und Baßlinien. Insgesamt sucht die Produktion die Nähe zum aktuellem R- ’n’- B-Formatpop eines Justin Timberlake oder einer Britney Spears.
Glauben Sie, die Türkei hat die Chance, in der näheren Zukunft in die EU zu kommen? Die Gespräche sollen jetzt zwar beginnen, aber sie können sich noch sehr lange hinziehen.
Wollen Sie meine persönliche Meinung wissen? Ich fürchte, wir brauchen noch etwas Zeit. Wir brauchen einen Mentalitätswandel. So etwas passiert nicht in drei oder vier Jahren, das braucht länger. Aber es ändert sich gerade etwas.
Wirtschaftlich boomt die Türkei. Aber auch der Nationalismus treibt neue Blüten - wie man am Film "Tal der Wölfe" sehen konnte, der hierzulande große Diskussionen ausgelöst hat.
Ich habe den Film nicht gesehen. Aber ich finde, Fernsehen und Kino sollten vorsichtiger mit solchen Themen sein und nicht nur daran denken, wie sich damit Geld machen läßt. Ich möchte Frieden in der Welt. Und so ein Film bewirkt das Gegenteil. Wir hätten diesen Film gar nicht machen dürfen. Warum macht man denn so einen Film? Solche Filme tragen nur dazu bei, die Spannungen zu erhöhen.
Fühlen Sie sich nach mehr als zehn Jahren in den Vereinigten Staaten inzwischen als Amerikaner?
nein. Es ist zwar manchmal etwas verwirrend, denn ich wurde in Deutschland geboren, bin dann in die Türkei gegangen und später nach Amerika gezogen. Aber ich fühle mich in vielerlei Hinsicht sehr türkisch.
Inwiefern?
Die meisten meiner Freunde sind Türken, und ich mag die Wärme und Freundlichkeit meiner Landsleute, ihre Großzügigkeit. Und dann das Essen: Ich mag auch Hamburger, Pizza oder italienisches Essen. Aber nach türkischem Essen bekomme ich Heimweh. Dabei esse ich eigentlich gar nicht soviel Fleisch.
Werden Sie in der Türkei oft nach Ihrer Meinung zur amerikanischen Politik gefragt?
Nein. Aber die Leute wollen wissen, wie ich zu Amerika und dem Lebensstil dort stehe.
Und?
Ich mag die Freiheit. Man kann sagen, was man will, tragen, was man will, und sein, wer oder was man sein will.
Und in der Türkei?
Da muß man etwas vorsichtiger sein. Und das finde ich traurig, denn ich will sagen können, was ich fühle. Natürlich sollte es auch Grenzen geben. Aber Tabus machen uns angespannt.
Sind die Tabus in der Türkei weniger geworden?
Einige Tabus verschwinden, andere kommen hinzu. Ich wünschte, es gäbe keine.
Wie mit Ihrem Ohrring?
Ja, am Anfang gab es große Diskussionen darum, und heute tragen alle so einen Ohrring. Alles ist freier geworden, und die Frauen laufen ziemlich sexy herum. Das ist schon seltsam: Obwohl die Regierung jetzt religiöser ist, sind die Leute entspannter.
Wie ist es für Sie, wenn Sie zurück nach Deutschland kommen? Immerhin sind Sie hier einst aufgewachsen.
Mir geht das schon manchmal durch den Kopf, wenn ich bei Viva und Stefan Raab bin, wie merkwürdig und schön das ist. Außerdem trage ich mich mit dem Gedanken, mir ein Appartement in Berlin zuzulegen.
Warum Berlin?
Oh, ich liebe Berlin und habe gute Freunde hier. Und ich liebe die Geschichte dieser Stadt, die Mauer, die amerikanischen Einflüsse - man kann sehen, daß es hier viele Kulturen gibt. Und Berlin ist eine tolle Stadt. Egal, wohin ich auch komme, jeder spricht über Berlin.
kaynak : Spiegel Online
2006 daki Tarkan Röportaj